Die Vergabe öffentlicher Aufträge wird durch das Vergaberecht der EU geregelt. Dieses hat zum Ziel, den freien Wettbewerb innerhalb der EU zu gewährleisten. Zu den Grundsätzen der Vergabeverfahren in der EU zählen Wirtschaftlichkeit, Transparenz, Wettbewerb und Gleichbehandlung. Dazu hat die EU Leitlinien zu Bekämpfung geheimer Absprachen herausgegeben, aus denen wir hier einmal zitieren möchten:
„Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist eine der konkretesten Formen öffentlicher Ausgaben, da ihr Zweck darin besteht, Bauleistungen, Waren oder Dienstleistungen bereitzustellen, die von den Bürgern und Bürgerinnen unmittelbar genutzt werden (z. B. Straßen oder Flughäfen, in Krankenhäusern verwendete Materialien oder öffentliche Busdienste). Die öffentliche Auftragsvergabe macht einen erheblichen Teil des BIP der EU-Mitgliedstaaten aus und spielt für das Wirtschaftswachstum, den sozialen Fortschritt und die Verwirklichung des zentralen Ziels eines Staates — seinen Bürgerinnen und Bürgern hochwertige Dienste zur Verfügung zu stellen — eine entscheidende Rolle.
Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, dass öffentliche Gelder auf die effizienteste, transparenteste, verantwortungsvollste und fairste Weise ausgegeben werden, dass sie hochwertige öffentliche Dienste in Anspruch nehmen und öffentlichen Einrichtungen letztlich weiterhin ihr Vertrauen schenken können.
Im öffentlichen Auftragswesen bezieht sich der Begriff „geheime Absprachen“ (häufig auch als „Angebotsabsprachen“ bezeichnet) auf rechtswidrige Vereinbarungen zwischen Wirtschaftsteilnehmern mit dem Ziel, den Wettbewerb in Vergabeverfahren zu verzerren. Solche kollusiven Absprachen zwischen Wirtschaftsteilnehmern können verschiedene Formen annehmen, beispielsweise die vorherige Festlegung des Inhalts ihrer Angebote (insbesondere des Preises), um das Ergebnis des Verfahrens zu beeinflussen, die Unterlassung der Einreichung eines Angebots, die Aufteilung des Marktes auf der Grundlage der geografischen Lage, des öffentlichen Auftraggebers oder des Auftragsgegenstands oder die Einführung von Rotationssystemen für eine Reihe von Verfahren. Ziel all dieser Praktiken ist es, einen im Voraus bestimmten Bieter in die Lage zu versetzen, sich einen Auftrag zu sichern und dabei gleichzeitig den Eindruck zu erwecken, dass das Verfahren tatsächlich nach den Grundsätzen des Wettbewerbs verläuft.“
„Geheime Absprachen sind schon lange als wesentlicher Risikofaktor für effiziente öffentliche Ausgaben bekannt und werden entsprechend behandelt. Schätzungen zufolge treiben geheime Absprachen die Kosten, die öffentlichen Auftraggebern im Vergleich zu dem entstehen, was sie unter normalen Marktbedingungen zahlen würden, um bis zu 60 % (2) in die Höhe. Selbst ein einziger Fall von Kollusion bedeutet für den europäischen Steuerzahler bei einem Vergabeverfahren mit einem Volumen von mehreren Millionen Euro überhöhte Zahlungen in Millionenhöhe; dies geht zulasten des Grundsatzes effizienter und nachvollziehbarer öffentlicher Ausgaben.“
Die gesamten Empfehlungen kann man unter folgendem Link nachlesen: Amtsblatt der Europäischen Union
Dass sich auf die EU-weit ausgeschriebene Vergabe zur Generalplanung des Grundschulneubaus lediglich ein Achitektenbüro beworben hat, und am Ende dann auch den Zuschlag erhielt, ist schon sehr bemerkenswert. Geht es bei so großen Bauplanungen schließlich um Millionen. Dass es sich bei diesem einem Bewerber um das gleiche Büro gehandelt hat, welches bereits im Vorfeld für die Gemeinde die grobe Vorplanung zum Schulneubau (Planungskonzept, Raumkonzept, Projektablaufplan und Grobkostenermittlung auch für die Fördermittelakquise) durchgeführt hat, verwundert umso mehr.
Dabei erweckte gerade die Kostenermittlung unsere Neugier. Die Planungssumme betrug zum Zeitpunkt der Ausschreibung ca. 7.986.000,00 €, um dann nach der Ausschreibung recht flott auf aktuell ca. 12.900.000€ hochzuschnellen. Am 8.12.2022 haben wir noch als BI eine Anfrage an die Kommunalaufsicht getätigt, mit der Bitte um Klärung. Vier Monate später am 8.4.2023 haben wir dann mal höflich um den Bearbeitungsstand gebeten. Diese Anfrage wurde uns dann am 31.8.2023 beantwortet. Wir haben dann am 1.9.2023, nun als Gemeindevertreter um Übersendung der Stellungnahmen, die zum Ergebnis der Prüfung führten bei der Kommunalaufsicht als zuständige Aufsichtsbehörde gebeten. Die Kommunalaufsicht legte ihrer Prüfung nämlich zwei Stellungnahmen zugrunde, eine vom Amt Hüttener Berge und die zweite eines Fachanwaltes für Vergaberecht. Unsere obige Anfrage mit der Bitte um Übersendung dieser Stellungnahmen in Kopieform wurde viele Monate vehement verweigert. Die Kommunalaufsicht verwies auf das Amt und das Amt sah ebenfalls keine Veranlassung zur Auskunft. Am 27.5.2024 wurde uns dann lediglich die Stellungnahme des Amtes übersandt, nachdem wir auf den §30 GO und das Informationsfreiheitsgesetz hinwiesen. Allerdings wurde uns die Stellungnahme nun ohne Anlage des Fachanwaltes übersandt und der eindeutigen Ansage: „Vorsorglich weise ich darauf hin, dass dieses Schreiben nicht für eine Weiterleitung und Veröffentlichung verwendet werden darf.“ Die Begründung warum uns die Stellungnahme des Fachanwaltes nicht ausgehändigt wird hat schon fast etwas skurriles, denn dort heißt es von Seiten der Amtsverwaltung: “ Herr Prof. Dr. hat sein Recht am geistigen Eigentum gem. § 10 Ziffer 2 IZG mündlich geltend gemacht und einer Weiterleitung seiner Ausarbeitung seinerzeit widersprochen.“ Das dieser Fachanwalt für Vergaberecht im Vorfeld auch mit der Ausarbeitung des Generalplanervertrags für den Grundschulneubau betraut war, müssen wir hier wohl nicht mehr erwähnen. 😉 Dieser Vertrag war übrigens seinerzeit über die EU weite Vergabeseite bzw. über das „Deutsche Vergabeportal“ öffentlich einsehbar, ebenso wie alle weiteren Anforderungen an die Planerleistungen, weswegen wir sie hier auch gerne einmal veröffentlichen möchten. (.zip Datei)
Wer also soll hier wohl gerade überzeugt werden und kann dazu eine Stellungnahme eines Anwaltes eine so hohe geistige Schöpfungshöhe erreichen, dass die Herausgabe verweigert werden kann?
Hier geht es bei den Auskünften doch gerade um das öffentliche Interesse aller Bürger der Gemeinde, da hier mit einer hohen Summe an Fördergeldern eine öffentliche Schule gebaut werden soll. Wenn gute Bekanntschaften wichtiger werden als Qualifikation oder das bessere Angebot, ist das ein Problem. Bei dieser hohen Investitionssumme hätte unserer Ansicht nach sogar im Vorfeld ein Architekten Wettbewerb statt finden müssen. Das dazu ein Fachanwalt im Vorfeld mit der Vorbereitung der Ausschreibung befasst war, und danach zu seiner eigenen Arbeit eine Stellungnahme verfasst hat, um seine eigene Beratung zu rechtfertigen, ist wohl in der Tat einmalig.
Unser Fazit: Der Eindruck von Vetternwirtschaft lässt sich durch ein so gestaltetes Verfahren kaum noch vermeiden. Wurden hier Leistungsbeschreibungen so formuliert, dass nur der „Haus- und Hoflieferant“ zum Zuge kommen kann? Wir jedenfalls staunen über soviel Heimlichtuerei, für eine einfache Frage.
Hier noch einige Leseempfehlungen zum Thema Transparenz:
ULD – Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz
Frag den Staat – Wir bringen Licht ins Dunkel der Behörden
Transparency International Deutschland
Transparenzranking Deutschland
Offener Brief von Vergaberechtsanwälten
Täuschung und Transparenz (#eu 1) – Lobbyland #51
Nachtrag: Am 13.6.2024 haben wir dann endlich „Akteneinsicht“ in die Stellungnahme des Fachanwaltes für Vergaberecht erhalten. Wir durften uns das siebenseitige Dokument unter den wachsamen Augen der Fachdienstleitung im Amt ansehen. Kopien davon durften wir allerdings keine anfertigen. Was uns weiterhin sehr irritiert. Dass man so vehement ein so großes Geheimnis um diese sieben Seiten gemacht hat, die unserer Ansicht nach weder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten, noch in ihrer verklausulierten Schreibeweise eine so hohe geistige Schöpfung erreichen, dass man darauf ein Urheberrecht geltend macht, verwundern uns wirklich sehr. Ein Drama in mehreren Akten sozusagen, bei dem am Ende nicht nur ein großes Fragezeichen bleibt, sondern auch ein Geschmäckle. Interessanterweise hat man eine ähnliche Vorgehensweise im Amt Hüttener Berge, bzw. der Gemeinde Groß Wittensee in der jungen Vergangenheit, angemahnt. Bei einer Prüfung des Gemeindeprüfungsamtes im Jahre 2022 heißt es unter TOP 9.3 Groß Wittensee – Neubau Feuerwehrgerätehaus: Bei der Prüfung der Stichprobe Nr. 13 wurde folgender Sachverhalt festgestellt:
• Im September 2016 fand durch die HFUK eine Begehung des Feuerwehrhauses in Groß Wittensee statt. Die siebenseitige Mängelliste machte weitreichende Umbau- und Sanierungsmaßnahmen unumgänglich.
• Daraufhin wurde nach politischen Beratungen im Juni 2017 ein Beschluss zum Bebauungsplan 15 gefasst, um den Weg für einen möglichen Gerätehausneubau an anderer Stelle frei zu machen.
• Die Kostenschätzung lag bei knapp 1,8 Mio € brutto. Der endgütige Beschluss zur Umsetzung eines Neubaus folgte im August 2018. Die Planung wurde im April 2019 bauantragsreif.
• Im August 2019 hat das Amt für den Neubau einen Zuwendungsbescheid des Landes über knapp 155.000 € erhalten. Im September 2020 wurden dann nach umfangreichen Ausschreibungen die Auftragnehmer für die Bauleistungen beauftragt. Das Gebäude wurde 2021 errichtet.
• Das gesamte Verfahren wurde durch einen Architekten begleitet.
• Mittlerweile wurden an diesen Abschlagsrechnungen in Höhe von mehr als 140.000 € ausgezahlt. Dies lässt einen noch höheren Auftragswert vermuten.
In diesem Fall hätte vor Beauftragung mindestens ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb zwingend stattfinden müssen. Den gesichteten Unterlagen konnte jedoch nicht entnommen werden, wie es zur Beauftragung des Architekten gekommen ist und welches Auftragsvolumen diese umfasst. Ein Vergabevermerk liegt nicht vor. Dies wurde durch die Amtsverwaltung auch bestätigt. Damit ist nicht klar, warum gerade dieser Architekt ausgewählt wurde.
Es wurde durch die Amtsverwaltung ebenso bestätigt, dass kein schriftlicher Vertrag des Amtes mit dem Architekten geschlossen wurde. Es sei lediglich zu einer mündlichen Vereinbarung gekommen, die sich in den Honorarrechnungen niederschlage (Honorarzone, anrechenbare Kosten, Bewertungen der Leistungen, Mindestsatz, Umgang mit besonderen Leistungen entsprechend Dorfgemeinschaftshaus Owschlag, Nebenkosten, Stundensätze). Der Zeitpunkt der Beauftragung ist nicht bekannt. Auf Seiten der Amtsverwaltung ist damit einhergehend nicht aufzuklären, ob die beauftragende Person die rechtliche und dienstliche Befugnis hatte, diese Entscheidung zu treffen.
Somit ist eine unzulässige Direktvergabe ohne formelles Vergabeverfahren festzustellen. Auch im Fall einer Direktvergabe wäre ein schriftlicher Vertrag über die zu erbringenden Leistungen und das dafür entstehende Honorar zu schließen.
Die Stellungnahme des Amtes dazu kann jeder im Ratsinformationssystem hier nachlesen:
Stellungnahme zum Bericht über die überörtliche Prüfung 2022 – Ordnungsprüfung – beim Amt Hüttener Berge durch das Gemeindeprüfungsamt des Kreises Rendsburg-Eckernförde
Wir von Bündnis.Wittensee. möchten uns daher den Vergaberechtsanwälten anschließen, und fordern dieser sowohl für die öffentlichen Haushalte und die Empfänger der Leistungen als auch für unsere Demokratie schädlichen Entwicklung entschieden entgegenzutreten.